Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Geburtenzahlen • 23.04.2018Größerer Anteil an Migrantinnen und langfristige Effekte der Familienpolitik

Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2016 mehr als 792.000 Kinder geboren und damit sieben Prozent mehr als im Jahr davor. Worin liegen die Ursachen für diesen Anstieg? Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung (SZ)“ vom 29. März 2018 analysiert Dr. Martin Bujard die Situation und nennt zwei Hauptgründe für das Geburtenwachstum.

So entscheiden sich immer mehr Frauen im Alter zwischen 30 und 37 Jahren für ein Kind, darunter viele Akademikerinnen. In dieser Gruppe ist bereits seit geraumer Zeit ein Rückgang der Kinderlosigkeit zu verzeichnen. Aus der Sicht von Dr. Bujard wirkt sich hier mit einer gewissen Zeitverzögerung der vor über 10 Jahren eingeleitete Ausbau der Familienpolitik aus. Dies gelte vor allem für die Kinderbetreuung, betonte er im Interview. Solche familienpolitischen Maßnahmen benötigten aber Zeit, wie der Blick auf europäische Ländervergleiche zeige. So wollten gerade gut ausgebildete Frauen Gewissheit haben, dass das mit der Kinderbetreuung auch wirklich funktioniere. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werde für die jüngeren deutschen Frauen ein immer wichtigeres Ziel im Leben, analysiert der Sozialwissenschaftler.

Migrantinnen bekommen mehr Kinder

Hinzu komme ein zweiter Faktor: der Geburtenanstieg bei einer zugleich wachsenden Zahl von Migrantinnen. Sie brachten 2016 185.000 Babys zur Welt und damit ein Viertel mehr als 2015. Für Dr. Bujard ist klar, dass dieser Trend anhalten werde, da der Anteil ausländischer Frauen an der Gesamtbevölkerung weiter wachse. Als einschränkend könnte sich aber die Tatsache erweisen, dass sich die Kinder der Migranten später an das deutsche Leitbild der Zwei-Kind-Familie anpassen könnten. Da nur relativ wenige Familien sich für ein drittes Kind entscheiden und gleichzeitig jede fünfte Frau kinderlos bleibt, lag die zusammengefasste Geburtenziffer (TFR) im Jahr 2016 in Deutschland bei 1,59 Kindern je Frau und damit deutlich unter dem notwendigen Reproduktionsniveau von 2,1 Kindern.

Wie kann die Geburtenzahl gesteigert werden?

Damit stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln es gelingen kann, die Geburtenrate in Deutschland weiter zu steigern. Für Dr. Bujard spielt hier die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine entscheidende Rolle. So müssten sich die Betriebe und die gesamte Wirtschaft „noch stärker an das Familienleben anpassen und den Eltern mehr Freiräume geben“. Zudem müsse der Ausbau qualitativ hochwertiger Krippen- und vor allem der Hortplätze schnell und flächendeckend weiter vorangetrieben werden. Eine zentrale Ursache für die niedrige Kinderzahl ist jedoch die verbreitete Zwei-Kind-Norm, die kulturell verankert ist. Was für einen stärkeren Anstieg der Geburten notwendig wäre, wäre „ein richtiger Kulturwandel“, lautet seine Schlussfolgerung.

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