Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Radiointerview zur Bevölkerungsentwicklung • 17.01.2019Lebenserwartung: „Stellschraube liegt im mittleren Lebensalter“

BiB-Wissenschaftler Dr. Ronny Westerman und Dr. Martin Bujard haben im Wissenschaftsmagazin Logo von NDR Info über die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland gesprochen.

Menschenmenge auf öffentlichem Platz Quelle: © Jürgen Fälchle / Adobe Stock

Die „Global Burden of Disease Study“ vergleicht seit 1992 die Lebenserwartung einzelner Länder und setzt sie ins Verhältnis zu den ermittelten Daten über Erkrankungen. Ziel ist, dass Regierungen diese Daten für ihre Gesundheitspolitik nutzen. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass die Lebenserwartung weltweit in vielen Ländern steigt. In Westeuropa liegt sie für Männer derzeit bei 79,5 Jahren, für Frauen bei 84,2 Jahren. In Deutschland ist die Lebenserwartung bei Frauen und Männern im Schnitt ein Jahr kürzer. Deutschland ist aber kein Einzelfall.

„Auch in Ländern wie Dänemark und den Niederlanden gibt es aktuell eine Stagnation bei der Lebenserwartung. In den USA ist sie sogar rückläufig. Das ist eigentlich schon ein Signal, dass hoher politischer Handlungsbedarf besteht“, betont Dr. Westerman.

Längere Lebenserwartung durch bessere Ernährung und Bewegung

Am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung forscht er im Rahmen der NAKO Gesundheitsstudie auch zu Faktoren, welche die Lebenserwartung beeinflussen. Herz-Kreislauferkrankungen sind in Industrienationen stärker verbreitet. Das liegt insbesondere an der Ernährung, so Westerman. Aber auch Bewegung spiele eine wichtige Rolle. „Wenn Menschen gesünder leben, dann leben sie in der Regel auch länger“, so der Humanbiologe. Bei bestimmten Erkrankungen könne vegetarische Ernährung auch vorteilhaft sein. In Indien tauchten zum Beispiel bestimmte Krebsarten wie Darmkrebs selten bis gar nicht auf, was auch auf die vergleichsweise weite Verbreitung vegetarischer Ernährungsweisen zurückzuführen sei.

Der Wissenschaftler empfiehlt der Gesundheitspolitik folgenden Fokus: „Insbesondere Menschen im mittleren Lebensalter sollten darüber aufgeklärt werden, dass sie in manchen Fällen doch nicht so gesund sind wie sie sich selbst einschätzen.“ Hohe Gesundheitsausgaben sowie High-Tech bei Diagnose und Therapie bringen nicht unbedingt mehr gesunde Lebensjahre.

Demografische Auswirkungen

Angesichts der Stagnation bei der Entwicklung der Lebenserwartung stellt sich die Frage, wie sich andere Kenngrößen der Bevölkerungsentwicklung verändern. Die derzeitige endgültige Kinderzahl der Frauen im Alter von 50 Jahren ist mit 1,49 Kindern pro Frau weiterhin unter dem so genannten Reproduktionsniveau.

„Man bräuchte etwas über 2 Geburten je Frau, um eine Generation durch Geburten zu ersetzen. Wenn man so etwas erreichen möchte, müssten sich mehr Paare für ein drittes Kind entscheiden. In Kreisen wie Cloppenburg in Niedersachsen liegt die endgültige Kinderzahl bei etwas über zwei Kindern je Frau. Migranten haben in Deutschland mit knapp 2 Geburten je Frau etwas höhere Geburtenraten, aber in der zweiten Generation passt sich das Geburtenverhalten an“, so Dr. Bujard, Forschungsdirektor für Familie und Fertilität am BiB.

Es gäbe aber auch positive Entwicklungen, betont der Soziologe. Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz in Deutschland erleichtere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dies hat möglicherweise dazu beigetragen, dass die Zahl der Kinderlosen sich bei Akademikerinnen von einem knappen Drittel auf ein Viertel reduziert hat.

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