Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Artikel in „Activities, Adaptation and Aging“ • 22.05.2020Nichterwerbstätige Ältere sind aktiver und fühlen sich gesünder

Ältere im Ruhestand sind körperlich aktiver als Erwerbstätige. Dies geht mit einer höheren subjektiven Gesundheit einher. Über die Zusammenhänge zwischen Erwerbstätigkeit, Gesundheit und körperlicher Aktivität nach dem Eintritt in den Ruhestand hat BiB-Wissenschaftler Dr. Volker Cihlar zusammen mit Prof. Dr. Sonia Lippke von der Jacobs University Bremen einen aktuellen Beitrag im Journal „Acitivities, Adaptation and Aging“ veröffentlicht, in dem er mittels Interviews über drei Jahre hinweg Ruheständler und Nicht-Ruheständler im Alter zwischen 55 und 70 Jahren vergleicht. Im Interview gibt der Alternsforscher Einblicke in zentrale Befunde.

Dr. Volker Cihlar Dr. Volker Cihlar Quelle: BiB

Herr Dr. Cihlar, ist ein körperlich aktives Leben im Rentenalter für die Gesundheit förderlicher als den Ruhestand wörtlich zu nehmen und ihn im Liegestuhl zu verbringen?

Eindeutig ja. Immer wieder weisen Studien darauf hin, dass körperliche Aktivität grundsätzlich ein wichtiger Faktor für die Erhaltung der Gesundheit ist. Unabhängig vom Alter können Gewinne durch körperliche Aktivität erzielt werden, auch wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen mit dem Alter zunehmen und mit steigendem Alter auch nicht mehr Zuwächse wie in jüngeren Jahren erreichbar sind. Grundsätzlich ist es aber nicht so, dass ältere Arbeitnehmer notwendigerweise gesundheitlich abbauen müssen. Es gibt Studien, die zeigen, dass der Verbleib im Erwerbsleben für den Erhalt der Gesundheit sogar förderlich sein kann. Letztlich ist entscheidend, welchen Lebensstil jeder Einzelne führt. Ausschlaggebend ist zudem nicht das kalendarische, sondern das subjektive Alter, also wie alt sich jemand unabhängig vom tatsächlichen Alter fühlt und wie er darüber hinaus seine Gesundheit selbst einschätzt. Wir haben daher diese Faktoren in unsere Analyse aufgenommen, um zu sehen, wie sie den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Erwerbstätigkeit beeinflussen. Im Fokus steht dabei vor allem die Frage nach Unterschieden zwischen den Ruheständlern und Nicht-Ruheständlern.

Welche Unterschiede haben Sie denn festgestellt?

Die Ruheständler unterscheiden sich von den Nicht-Ruheständlern vor allem bei den Arbeitsstunden, der körperlichen Aktivität sowie darin, wieviel Energie sie in wichtige Lebensbereiche investieren. Hinzu kommen Unterschiede in ihrer objektiven sowie subjektiven Gesundheit. Männer arbeiten im Durchschnitt mehr Stunden als Frauen. Menschen, die trotz ihres Ruhestands noch erwerbstätig sind, arbeiten insgesamt in geringerem Umfang als Erwerbstätige vor dem Ruhestand. Dabei gehen vor allem die Ruheständler häufiger körperlicher Aktivität nach als die Nicht-Ruheständler. Insgesamt zeigt sich, dass diejenigen, die körperlichen Aktivitäten nachgehen und mehr Energie darauf verwenden, in für sie wichtigen Lebensbereichen aktiv zu sein beziehungsweise auf diese bewusster achten, auch einen insgesamt besseren Gesundheitszustand aufweisen. Das bezeichnet man als Life-Investment.

Welche Rolle spielt der Einfluss der Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die Umsetzung von körperlicher Aktivität?

Es könnte sein, dass Erwerbstätigkeit eine gewünschte Umsetzung körperlicher Aktivität behindern kann. Arbeit und Aktivität scheinen dann schwierig miteinander vereinbar zu sein, so dass eins davon auf der Strecke bleibt. Bei Erwerbstätigen dann eben meist die ausreichende körperliche Aktivität. Hier gibt der Ruhestand dem Einzelnen mehr Möglichkeiten, stärker körperlich aktiv zu sein. Gleichzeitig kann aber die Motivation für eine Erweiterung der Erwerbstätigkeit damit gesenkt werden. Kurz gesagt: Je weniger die Befragten arbeiteten, desto körperlich aktiver waren sie.

Welche Schlüsse für ein erfolgreiches aktives Altern mit einer umfassenden sozialen Teilhabe Älterer ziehen Sie aus den Befunden?

Es könnte von Vorteil sein, eine ganzheitliche Sichtweise in Bezug auf die Organisation von Arbeit und körperlicher Aktivität einzunehmen. Dies wäre wohl der schlichten Betonung der Wichtigkeit von körperlicher Aktivität überlegen. Dabei bleibt für ältere Erwerbstätige nämlich immer trotzdem noch die Frage der Vereinbarkeit mit dem Beruf, bei der oft zeitliche und organisatorische Probleme im Vordergrund stehen. Würde man ein Hauptaugenmerk jedoch auf die psychologischen Prozesse legen, indem ausdrücklich auf die Überwindung von Barrieren hingearbeitet wird und Arbeits- und Freizeitaktivitäten aufeinander abgestimmt werden, könnte eine höhere Anzahl Erwerbstätiger in ausreichender Form körperlich aktiv sein.

Angesichts der Ergebnisse dieser Studie sollten ältere Menschen ermutigt werden, körperlich aktiv zu sein, auch wenn sie noch arbeiten und mit Zeit- und Organisationsdruck konfrontiert sind. Es ist erforderlich, ältere Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber für die Vorteile von körperlicher Aktivität zu sensibilisieren und Lösungsansätze zu finden, wie körperliche Aktivität mit dem Berufsalltag verbunden werden kann. Angebote von Arbeitgebern im Zuge von betrieblichem Gesundheitsmanagement sind dafür geeignet. Sie könnten zielgruppenspezifisch in Zukunft ausgebaut werden.

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