Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Artikel im „BKK Gesundheitsreport 2020“ • 19.01.2021Ein mobiles Arbeitsleben kann gesundheits- und beziehungsschädlich sein

Im Zuge der Corona-Pandemie führen Reise- und Kontaktbeschränkungen zu einem Rückgang der räumlichen Bewegungen im Privatleben, aber auch in der Arbeitswelt. Davor war fast jeder fünfte Erwerbstätige in Deutschland in verschiedenen Formen aus beruflichen Gründen hochgradig mobil und vieles spricht dafür, dass die räumliche Mobilität der Erwerbstätigen auch nach der Pandemie eine wichtige Rolle spielen wird. Ein aktueller Beitrag untersucht daher den Forschungsstand der Folgen von arbeitsbedingter Mobilität für die Gesundheit und das soziale Leben der Betroffenen. Im Interview gibt Mitautor PD Dr. Heiko Rüger vom BiB einen Überblick.

Geschäftsfrau vor Anzeigetafel am Flughafen Quelle: © Maskot via Getty Images

Herr Dr. Rüger, gefährdet arbeitsbedingte räumliche Mobilität Gesundheit und Wohlbefinden und kann sie am Ende gar zu sozialer Isolation bei den Betroffenen führen?

Ganz so pauschal lässt sich das nicht bestätigen. In den Studien unseres Forschungsüberblicks zum Thema – für den wir insgesamt über 100 wissenschaftliche Quellen einbeziehen konnten – gibt es vielmehr klare Hinweise darauf, dass berufsbedingte Mobilität auch positive Folgen haben kann, zum Beispiel hinsichtlich verbesserter Einkommenschancen oder der Möglichkeit, Neues kennenzulernen. Wichtig ist dabei auch, zwischen verschiedenen Formen der Mobilität wie dem Tages- und Wochenendpendeln, dem arbeitsbedingten Umzug sowie Dienst- oder Geschäftsreisen mit Übernachtungen zu unterscheiden. So sind diese Formen jeweils mit spezifischen Herausforderungen und Belastungen verbunden. Grundsätzlich gilt aber für alle Formen: Wenn Personen aus freien Stücken mobil sind, zeigen sich kaum negative Folgen für Gesundheit und Wohlbefinden.

Wirken sich die verschiedenen Formen der Mobilität in unterschiedlicher Weise auf die Gesundheit und das soziale Leben aus?

Ja, darauf weisen die Befunde durchaus hin. Am besten erforscht ist dabei die Situation der Tagespendler, während viele Befunde zu Wochenendpendeln, Umzügen sowie Dienstreisen in Bezug auf ihre Aussagekraft für Ursache-Wirkungs-Beziehungen eingeschränkt sind. Hier handelt es sich meist um Einzelstudien mit teils kleinen und nicht repräsentativen Stichproben, die später in weiteren Untersuchungen bestätigt werden müssen. Wie sehr sich Mobilität auf Gesundheit und Wohlbefinden auswirkt, hängt demnach neben der Form und der Freiwilligkeit unter anderem von der Intensität und Dauer der Mobilität ab. So kann es beim täglichen Pendeln langer Strecken zu einem erhöhten Stressempfinden und auch zu dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigungen kommen. Dagegen wurden beim Wochenendpendeln verschiedene psychosoziale Belastungen wie das Empfinden von Einsamkeit oder Unzufriedenheit mit der Paarbeziehung beobachtet. Bei arbeitsbedingten Umzügen kann es zu kurzzeitigen Belastungsspitzen kommen, wobei die Belastungen für Gesundheit und Wohlbefinden vor allem davon abhängen, wie erfolgreich der Umzug verlaufen ist. Insgesamt können Umzüge, im Gegensatz zu den anderen Mobilitätsformen, zu einer durchschnittlich höheren Lebenszufriedenheit beitragen. Dienst- und Geschäftsreisen mit Übernachtungen sind zwar mit eher geringen Belastungen verbunden, diese können aber zunehmen, wenn die Häufigkeit der Dienstreisen ansteigt.

Inwiefern leidet das Familienleben unter berufsbedingter räumlicher Mobilität?

Lange Pendelwege und häufige Dienstreisen können zu Problemen bei der Vereinbarkeit mit dem Familienleben und der Paarbeziehung führen, die sich dann auch gesundheitlich bemerkbar machen können. Dies zeigt sich insbesondere bei den Frauen. Studien haben dazu ergeben, dass eine intensive Pendelmobilität von Frauen mit einer erhöhten Trennungswahrscheinlichkeit einhergeht, vor allem wenn es sich um Mütter eines Kleinkindes handelt. Dies gilt nicht für die Männer. Es hat sich zudem gezeigt, dass die verringerte Mobilitätsbereitschaft von Müttern ungünstige Karriereverläufe zur Folge haben kann. Der reduzierte Aktionsradius geht einher mit schlechter entlohnten Tätigkeiten und fördert so weiter die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern.

Auch wenn es bisher kaum detaillierte Studien über die Folgen von arbeitsbedingten Umzügen für das Familienleben gibt, würde ich vermuten, dass die Auswirkungen gering ausfallen – sofern für alle Familienmitglieder die Integration am neuen Wohnort gelingt.

Rüger, Heiko; Stawarz, Nico (2020): Gesundheitliche und soziale Auswirkungen arbeitsbedingter räumlicher Mobilität: ein Forschungsüberblick. In: Knieps, Franz.; Pfaff, Holger (Hrsg.): Mobilität – Arbeit - Gesundheit. BKK Gesundheitsreport 2020, Berlin: 236–246

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