Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

BiB Online-Workshop • 19.05.2021Veränderte Arbeitswelt - veränderte Binnenwanderungsmuster?

Wie wird sich die Arbeitswelt künftig wandeln und welche Folgen hat dies für die regionale Bevölkerungsverteilung? Werden ländliche Räume durch die Abwanderung junger Erwachsener künftig immer weiter abgehängt oder gelingt es, sie attraktiv zu halten für Familien? Werden die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens zu einer gesellschaftlichen Statusfrage? Mit all diesen Fragen beschäftigte sich ein virtueller Workshop des BiB mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus unterschiedlichen beruflichen Bereichen sowie der Wissenschaft. Mit dabei war auch BiB-Wissenschaftlerin Dr. Nikola Sander.

dörfliche Landschaft mit Telegrafen-Sendemast im Hintergrund Quelle: © Ezio Gutzemberg / Adobe Stock

Die (Online-)Diskussionsrunde richtete den Blick zunächst auf die Frage, wie eigentlich die Zukunft der Arbeitsgestaltung aussieht. Wenn es zum Beispiel möglich ist, eine Firmenkultur rein über digitale Tools ohne persönlichen Kontakt aufzubauen, benötigt man dann noch stationäre Büros? Hier spielt allerdings die jeweilige Branche eine wichtige Rolle. So wurde darauf hingewiesen, dass Unternehmen, die unbedingt einen persönlichen Austausch benötigen, Homeoffice ablehnen. Als schwierig wurde für Beschäftigte im Homeoffice auch die Voraussetzung für die Bildung spontaner Netzwerke angesehen, die im Büro vor Ort deutlich leichter geschehen.

Hinzu kommt, dass Arbeitgeber auch die Befürchtung haben könnten, austauschbarer zu werden, wenn die Belegschaft ausnahmslos ohne direkten Firmenbezug zu Hause vor dem Computer arbeitet.

Entkoppelung von Arbeits- und Wohnort durch Homeoffice

Und nicht zuletzt wird das mobile Arbeiten von daheim Folgen für die Binnenwanderung haben, wie BiB-Wissenschaftlerin Dr. Nikola Sander betonte, denn: „Homeoffice-Nutzer pendeln nach Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) tendenziell über längere Distanzen.“ Daraus ergibt sich eine Entkoppelung von Arbeits- und Wohnort und somit eine größere Freiheit bei der Wahl des Wohnortes, was sich an den gestiegenen Zahlen von Pendelnden bereits feststellen lässt. Und der Trend zum Homeoffice ist eindeutig: Nach einer Umfrage des IFO-Instituts wird die Bedeutung des Homeoffice in der Arbeitswelt weiter zunehmen. Immerhin 67 Prozent der Firmen wollen demnach Homeoffice stärker als vor der Pandemie nutzen.

Verhinderung der Abwanderung vom Land in die Stadt

Damit stellte sich gerade mit Blick auf die ländlichen Räume die Frage, inwieweit es auf dem Land überhaupt möglich ist, in Homeoffice-Strukturen zu arbeiten. Um daher ein Ausbluten der ländlichen Räume zu verhindern, ist es notwendig, Anreize und Unterstützung zu geben, damit die Menschen weiterhin auf dem Land leben und arbeiten wollen.

Die größte Abwanderungsgruppe ist hier die Gruppe der jungen Erwachsenen, die zum Studium oder zu Berufsausbildungen meist ihre ländliche Heimatregion in Richtung Stadt verlassen. Dazu wurde in der Diskussion vor allem auch die wichtige Rolle der Politik betont, die die ländlichen Räume stärker fördern muss. Wenn hier nichts getan wird und sich die Lage weiter verschärft, könnte dies zu einer weiteren Abhängung bereits schon abgehängter Regionen führen, wohingegen die attraktiveren Regionen noch stärker profitieren.

Suburbanisierung: aktuell Wegzug aus den Städten in das Umland

Welche Regionen dabei zu den Gewinnern und welche zu den Verlierern zählen, lässt sich angesichts immer wiederkehrender zyklischer Stadt-Land-Wanderungsbewegungen aus wissenschaftlicher Sicht schwer prognostizieren, wie Dr. Sander betonte. So kam es zum Beispiel zwischen 2005 und 2014 zu großen Gewinnen in den kreisfreien Großstädten durch die Binnenwanderung. „Hohe Mietpreise und Wohnungsknappheit sind aber auch wieder für den Rückgang verantwortlich“, so die Wissenschaftlerin.

Seit etwa 2017 verlieren die Städte wieder an Bevölkerung, die nun in die umliegenden Regionen um die großen Städte abwandert. „In Ostdeutschland ist der Trend ein paar Jahre verschoben.“ Dies könnte ihrer Ansicht nach auch mit dem dortigen Wohnungsmarkt zusammenhängen. Insgesamt ist derzeit ein Prozess der Suburbanisierung, das heißt ein Wegzug aus der Stadt in das Umland, festzustellen, resümierte sie. Wie stabil dieser Trend ist, lässt sich aber heute noch nicht voraussagen.

Mobiles Arbeiten – aber nicht für alle

Mit Sorge wurde in der Debatte darauf hingewiesen, dass eine veränderte Arbeitswelt durchaus das Potenzial für neue gesellschaftliche Spaltungen hat. So könnte Homeoffice als elitäre Arbeitsform für eine kleine Berufsgruppe angesehen werden, von der die Masse der Bevölkerung aus unterschiedlichen Gründen ausgeschlossen ist und bleibt. Eine Aufgabe wird dann darin bestehen, zu verhindern, dass mobiles Arbeiten in der Gesellschaft als „elitäres Vergnügen“ betrachtet wird.

Darüber hinaus ist das Phänomen Homeoffice aber nicht der einzige Faktor, der eine veränderte Arbeitswelt ausmacht. Im Zuge der Modernisierung und Digitalisierung verändern sich in vielen anderen Berufen die Voraussetzungen und Tätigkeitsbereiche sowie die räumlichen Umgebungen.

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