Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

BiB-Pressekonferenz • 29.07.2021Schulschließungen für Kinder und Jugendliche belastend

Während der Corona-Pandemie waren 11,1 Millionen Kinder und Jugendliche sowie 14,6 Millionen Eltern von Kita- und Schulschließungen betroffen. Welche Folgen das für deren Gesundheit und Bildungsverläufe hat, zeigt eine neue Studie des BiB, die bei einer Pressekonferenz vorgestellt wurde.

Um welche Größenordnungen es bei den Kita- und Schulschließungen während der Pandemie ging, machte BiB-Wissenschaftler und Studienmitautor, PD Dr. Martin Bujard, bei der Präsentation der Studie „Belastungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern in der Corona-Pandemie“ deutlich. So haben während des ersten Lockdowns je nach Alter der Kinder und nach Bundesland viele Schülerinnen und Schüler teilweise dreieinhalb Monate keine Schule im Präsenzunterricht besucht. Im zweiten Lockdown waren es zum Teil gar 5 Monate. Dies hat Folgen, wie die Familiensoziologin und Mitautorin, Kerstin Ruckdeschel, betont. „In der Pandemie fällt die Schule als Lernort und sozialer Raum weg. Lernen fällt somit wesentlich schwerer. Das hat bei vielen Kindern natürlich Folgen für den Lernerfolg und die Lernmotivation.“

Mitschnitt der Pressekonferenz

Lernzeit daheim ging im Lockdown zurück

Zudem machten Studien deutlich, dass es über alle Altersgruppen hinweg zu einer deutlich gesunkenen Lernzeit während des ersten und zweiten Lockdowns gekommen ist, wobei Unterschiede nach Schulform und Alter der Kinder zu beobachten waren. So ging die Lernzeit bei Grundschülern und Schülern anderer weiterführender Schulen z. B. stärker zurück als bei Gymnasiasten. „Wir müssen daher aufgrund dieser Entwicklung mit Lernrückständen bei den Betroffenen rechnen“, warnt die Wissenschaftlerin. Dies hat sich bereits in internationalen Studien, beispielsweise aus den Niederlanden, bestätigt.

Wie gut die Schülerinnen und Schüler mit dem Homeschooling zurechtkommen, hängt vor allem von der Unterstützung durch die Eltern ab. Diese Situation trägt wiederum zu deren sowieso schon großer Belastung bei und spiegelt sich vor allem in einem Rückgang bei der Entwicklung der allgemeinen Lebenszufriedenheit von Vätern und Müttern zwischen Mai 2020 bis April 2021 wider. „Belastet sind vor allem die Mütter, die die Hauptlast der Familienarbeit tragen“, so Ruckdeschel.

Familien mit Kindern besonders im Stress

Gleichwohl ist überraschend, dass das Stressempfinden insgesamt zurückgegangen ist. Dies gilt besonders für Alleinlebende oder Paare ohne Kinder. Ein Rückgang des Stressempfindens von „sehr hoch“ auf „hoch“ zeigte sich bei den Alleinerziehenden. „Dafür ist wohl der relativ schnelle Zugang zu Notbetreuungsangeboten für diese Gruppe verantwortlich“, vermutet die Familiensoziologin. Dagegen ist bei Paaren mit Kindern unter 10 Jahren das Stressempfinden gleich hoch geblieben. „Allerdings war das Stressempfinden von Eltern mit jüngeren Kindern bereits vor der Pandemie höher als in den anderen Lebensformen.“

Soziale Ungleichheiten verschärfen Lernrückstände

Als besonders belastend haben sich die Maßnahmen für Familien aus bildungsfernen Haushalten, bzw. die von einer anderen Muttersprache geprägt sind, gezeigt. Darauf wies Dr. Bujard hin. „Wir haben eine Gruppe an Schülerinnen und Schüler in der Größenordnung von 22 bis 25 Prozent, die aufgrund dieser Merkmale durch die Schulschließungen deutlich zurückfallen“, betont er. Daher sind die Auswirkungen der Schulschließungen auf die Lernrückstände in dieser Gruppe hoch.

Zunahme depressiver Symptome unter Jugendlichen

Zudem ist der Einfluss auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen noch gravierender als bisher angenommen wurde. „Wir sehen, dass sich bei einem von sechs Jugendlichen während des Lockdowns eine depressive Symptomatik entwickelt hat. Dies betrifft vor allem Mädchen und Jugendliche mit Migrationshintergrund“, analysiert Dr. Bujard. Die Erscheinungsformen zeigen sich in sehr unterschiedlichem Maße, vom Rückzug der Kinder bis hin zu Verhaltensauffälligkeiten wie zum Beispiel Essstörungen.

Allerdings warnte er angesichts dieser Entwicklung davor, von einer verlorenen Generation zu sprechen. „Unsere Befunde zeigen auch, dass die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen mit den Herausforderungen der Pandemie in höchst unterschiedlicher Weise umgeht.“ So ist zu erwarten, dass etwa in den Bereichen Digitalisierung und selbstständiges Lernen Kenntnisse erworben wurden, die künftig nützlich sein werden. Um zu vermeiden, dass sich die psychische Belastung und die Lernrückstände noch weiter verstärken könnten, plädiert Dr. Bujard daher dafür, dem regulären Präsenzunterricht eine hohe Priorität einzuräumen und Familien durch einen Ausbau an multidisziplinärer Schulsozialarbeit, Familienbildung und Familienberatung zu stärken.

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