Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Berliner Demografiegespräch | 22.03.2022Abschied vom Konzept „Migrationshintergrund“?

Über den Nutzen, die Schwächen und die Zukunft des Konzepts Migrationshintergrund in Forschung und Statistik diskutierten Forschende des BiB und des Statistischen Bundesamtes beim Demografiegespräch.

Mit der aktuellen Definition und Weiterentwicklung des Begriffs Migrationshintergrund beschäftigte sich Anja Petschel vom Statistischen Bundesamt. Anfang der 2000er Jahre wurde deutlich, dass die Unterscheidung von Deutschen und Ausländerinnen beziehungsweise Ausländern für eine realistische Abbildung von Integrationsverläufen nicht mehr ausreichend war. Das zunehmend komplexer gewordene Bild der Zuwanderung in Deutschland wurde daher seit 2005 im Mikrozensus mit dem Konzept „Migrationshintergrund“ erfasst. „Es orientiert sich im Kern sehr stark an dem deutschen Staatsangehörigkeitsrecht zum Zeitpunkt der Geburt“, erklärte Petschel.

Neue Definition betont die Wanderungserfahrung

Um Integrationsverläufe besser abzubilden, hat die Fachkommission „Integrationsfähigkeit“ eine neue Begrifflichkeit und eine geänderte Definition vorgeschlagen. Laut Fachkommission soll nun von Eingewanderten und ihren (direkten) Nachkommen gesprochen werden, erklärte Dr. Coskun Canan (Statistisches Bundesamt). „Diese neue Definition ist somit deutlich enger gefasst als die bisherige“, so der Bevölkerungsstatistiker. Hier liegt der Fokus klar auf der Wanderungserfahrung und die Staatsangehörigkeit spielt gar keine Rolle mehr.

Der Migrationshintergrund in der Sozialberichterstattung

Am Beispiel des Integrationsmonitoring des Bundes zeigte BiB-Wissenschaftler Martin Weinmann, wie die Kategorie Migrationshintergrund in der Sozialberichterstattung verwendet wird. „Ziel des Integrationsmonitoring des Bundes ist die Beobachtung von Stand und Verlauf der Eingliederung von Zuwanderern anhand von Indikatoren sowie die Sichtbarmachung von Erfolgen der Integrationspolitik“, so Weinmann. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einer vergleichbaren Messung des Migrationshintergrunds und weiterer Indikatoren über längere Zeiträume.

Wie kann ethnische und kulturelle Herkunft vollständig erfasst werden?

Die vorgestellten Befunde der drei Forschenden belegen aus Sicht von BiB-Wissenschaftler Dr. Andreas Ette die Relevanz von Angaben zum Geburtsland und der Staatsangehörigkeit bei Untersuchungen zur Sozialstruktur der Bevölkerung. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Erfassung ethnischer und kultureller Diversität alleine mit diesen beiden migrationsspezifischen Merkmalen nicht umfassend beschrieben werden kann. Das klassische Beispiel dafür ist die dritte Einwanderergeneration. „Daher benötigen wir ergänzende Konzepte zu den Merkmalen Geburtsland und Staatsangehörigkeit, um die ethnische Diversität vollständig zu erfassen.“