Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

BiB-Reihe „Beiträge zur Bevölkerungswissenschaft“ | 12.04.2022Band "Status and Ethnic Identity" erschienen

Darin untersucht BiB-Forscher Dr. Andreas Genoni, welche Rolle der soziale Status für die Identifikation von Migrantinnen und Migranten mit ihrer Herkunftsgruppe beziehungsweise mit der Mehrheitsbevölkerung in Deutschland spielt.

Ist sozialer Aufstieg von Migrantinnen und Migranten gleichzusetzen mit einer erfolgreichen Integration in die deutsche Gesellschaft? Und ist die alleinige Orientierung an der ethnischen Herkunft ein Merkmal von jenen mit einem niedrigeren Sozialstatus?

In seiner Dissertationsschrift auf Basis der Erwachsenenkohorte des Nationalen Bildungspanels (NEPS) macht Andreas Genoni deutlich, dass diese weitverbreitete Vorstellung keineswegs so eindeutig zutrifft. So gibt es Brüche in dieser Vorstellung, wie er unter anderem am Beispiel der BioNTech-Firmengründer Özlem Türeci und Uğur Şahin zeigt. Beide drücken trotz ihres Erfolgs und Lebens in Deutschland auch Verbundenheit mit der ethnischen Herkunft ihrer Familie aus. Solche oftmals ausgeblendeten Lebensrealitäten bezieht der Autor bewusst in seiner Arbeit mit ein.

Ethnische Identität fasst Minderheits- und Mehrheitsidentität zusammen

Dabei richtet sich sein analytischer Blick vor allem auf den Zusammenhang zwischen dem sozialen Status von Migrantinnen und Migranten der ersten und zweiten Generation und dem Ausmaß, in dem sie sich mit ihrer Herkunftsgruppe beziehungsweise mit der Mehrheitsbevölkerung in Deutschland identifizieren. Für ein besseres Verständnis des Zusammenhangs zwischen sozialem Status und Integration ist diese kombinierte Betrachtung von Minderheits- und Mehrheitsidentität entscheidend. Sie wird im Begriff „ethnische Identität“ zusammengefasst.

Analysen dazu ermöglichen Einblicke in das soziale Klima in der Aufnahmegesellschaft, den Dialog zwischen verschiedenen Ethnien und das subjektive Wohlbefinden der Migrantinnen und Migranten. Außerdem ermöglichen sie, eine erweiterte Untersuchung des Integrationsparadoxons zu leisten. Darunter wird die Situation verstanden, in der sich Migrantinnen und Migranten mit hohem Sozialstatus weniger mit der Mehrheitsbevölkerung identifizieren als solche mit niedrigerem Status.

Marginalisierte Identitäten kommen über Statusniveaus hinweg vor

Die Analysen zeigen, dass sich statushohe Migrantinnen und Migranten mit Berufen, für die sie überqualifiziert sind, und solche mit sichtbarem Migrationshintergrund nicht nur weniger mit der Mehrheitsbevölkerung identifizieren, sondern auch weniger mit ihrer Herkunftsgruppe. Solche marginalisierten Identitäten werden häufig mit prekären Lebensumständen und Ressourcenknappheit verbunden und daher besonders für Migrantinnen und Migranten unterer sozialer Schichten angenommen. „Meine Befunde deuten aber darauf hin, dass marginalisierte Identitäten über alle soziale Schichten hinweg vorkommen und sie bei statushöheren Migrantinnen und Migranten kein positiver Ausdruck von Weltbürgertum sind, wie es oftmals angenommen wird“, resümiert Dr. Genoni.

Genoni, Andreas (2022): Status and Ethnic Identity. A Study on First- and Second-Generation Migrants in Germany. Beiträge zur Bevölkerungswissenschaft 56. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich