Demografische Trends in Subsahara-Afrika | 07.06.2023„Alterung auch in der jüngsten Weltregion ein wichtiger Zukunftstrend“
Die Weltbevölkerung wächst voraussichtlich noch bis Mitte der 2080er Jahre, Subsahara-Afrika zählt dabei neben einigen Ländern in Asien zu den Wachstumsregionen. Aktuell leben dort 15 Prozent der Weltbevölkerung. Im Interview erläutert die Leiterin der Forschungsgruppe Globale und regionale Bevölkerungsdynamik Dr. Elke Loichinger, welche demografischen Entwicklungen in dieser wachsenden afrikanischen Region zu erwarten sind und warum das BiB dazu forscht und Projekte initiiert.
Frau Loichinger, wie entwickelt sich die Bevölkerung in Subsahara-Afrika?
Dr. Elke Loichinger, Leiterin der Forschungsgruppe Globale und regionale Bevölkerungsdynamik
Blicken wir zunächst mal auf die Welt. Aktuell leben etwas mehr als 8 Milliarden Menschen auf der Erde; diese Marke wurde letztes Jahr geknackt. Die Weltbevölkerung wächst aber mittlerweile weniger als ein Prozent pro Jahr und das Wachstum wird weiter zurückgehen. Laut Vorausberechnungen der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen (VN) in New York wird die Weltbevölkerung noch bis Mitte der 2080er Jahre zunehmen, bevor bei gut 10 Milliarden Menschen ein Maximum erreicht ist. Subsahara-Afrika ist dabei neben einigen asiatischen Ländern die Region, in der sich dieses Bevölkerungswachstum konzentrieren wird. 49 von 54 afrikanischen Ländern zählen zu dieser Weltregion, in der aktuell knapp 1,2 Milliarden Menschen leben.
Subsahara-Afrika ist die mit Abstand jüngste Weltregion. Gut 60 Prozent der Bevölkerung sind dort unter 25 Jahre alt. Zum Vergleich: In Deutschland zählt nur knapp ein Viertel der Bevölkerung zu den unter 25-Jährigen. Die afrikanische Region bleibt auf absehbare Zeit jung: Selbst für das Jahr 2050 prognostizieren die Vereinten Nationen, dass noch mehr als jede zweite Person in Subsahara-Afrika in diese Altersgruppe fällt. Welche Gründe gibt es hierfür? In vielen Ländern sinken die Geburtenraten, aber sie sind noch vergleichsweise hoch – mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. Bekommen Frauen im Niger und in der Demokratischen Republik Kongo im Durchschnitt noch über sechs Kinder, sind es in Südafrika und Botswana weniger als drei. Hinzu kommt, dass die Lebenserwartung im globalen Vergleich noch niedrig ist, auch wenn sie ansteigt.
Sie haben gemeinsam mit anderen wissenschaftlichen Partnern einen Workshop in Uganda organisiert, der sich mit der Alterung in Subsahara-Afrika befasst hat. Wird die Alterung auch in dieser Region ein wichtiger demografischer Trend werden?
Ja, definitiv, die Alterung wird auch in der jüngsten Weltregion ein wichtiger Zukunftstrend werden. Obwohl die Bevölkerung in Subsahara-Afrika wie beschrieben relativ jung ist, nimmt die ältere Bevölkerung aufgrund der auch in dieser Weltregion steigenden Lebenserwartung kontinuierlich zu. Der Anteil der über 60-Jährigen ist im globalen Vergleich mit knapp fünf Prozent gering und wird bis 2100 laut den Vorausberechnungen der Vereinten Nationen noch unter dem heutigen Niveau Europas liegen. Dahinter verbirgt sich jedoch eine große absolute Zahl Älterer: Sind es heute gut 57 Millionen, so wird bis 2050 ein Anstieg auf 156 Millionen und bis 2100 auf 644 Millionen erwartet.
Wie sollen die Gesellschaft und die Politik in dieser Weltregion mit dieser Alterung umgehen? Die Wissenschaft kann hier einen Teil der Antwort liefern. Um den fachlichen Austausch von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern zum Thema Alterung in Ländern Subsahara-Afrikas zu stärken, veranstaltete das BiB in Zusammenarbeit mit der Universität Groningen, dem Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) und der Makerere University in Entebbe (Uganda) einen Workshop. Inhaltliche Schwerpunkte lagen auf gesundheitlichen Trends und der Gesundheitsversorgung, intergenerationalen Beziehungen sowie den generellen Lebensumständen Älterer. Insbesondere die Frage, wie Entscheidungsträger für die Belange Älterer sensibilisiert werden können, wurde thematisiert. Deshalb gab es neben Fachvorträgen auch Paneldiskussionen mit politischen Entscheidungsträgern und Vertretern der Zivilgesellschaft. Gefördert wurde die Veranstaltung durch die Volkswagenstiftung im Rahmen der Förderinitiative „Wissen für morgen – Kooperative Forschungsvorhaben im sub-saharischen Afrika“.
Das Thema wird auch weiter wissenschaftlich fokussiert. Im International Journal of Public Health wird eine Sonderausgabe zum Oberthema des Workshops erscheinen. Noch bis zum 31. August können Beiträge, die sich mit Gesundheit und Alterung in Ländern Subsahara-Afrikas beschäftigen, eingereicht werden.
Auch am BiB gibt es Forschung zu Bevölkerungstrends in Subsahara-Afrika. Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich hier konkret?
Es gibt das Konzept der demografischen Dividende, das uns interessiert. Dieser Begriff beschreibt das Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, welches sich infolge sinkender Geburtenraten und im Gegenzug steigender Anteile der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ergeben kann. Diese demografischen Trends lassen sich in Subsahara-Afrika beobachten. Ob beziehungsweise in welchem Umfang die Wirtschaft wächst, hängt von einer Reihe von weiteren Faktoren ab. Einer davon, das Humankapital der Bevölkerung, hat sich als besonders relevant erwiesen. Deshalb beschäftigen wir uns mit Trends von formalem Bildungserwerb, „Skills“ (dt.: Fertigkeiten, Kompetenzen) und Frauenerwerbsbeteiligung in Subsahara-Afrika.
So haben wir zum Beispiel für 13 ausgewählte Länder und im Vergleich unterschiedlicher Geburtsjahrgänge zeigen können, dass längere Zeiten der formalen Ausbildung zu einer deutlich steigenden Frauenerwerbsbeteiligung geführt haben. Ebenso fanden wir heraus, dass zunehmende Bildung vermehrt mit Tätigkeiten außerhalb des primären Sektors einhergeht. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Fertilität in ausgewählten Ländern Subsahara-Afrikas sind Inhalt einer kürzlich veröffentlichten Studie. Unsere Erkenntnisse tragen zur Einordnung der Perspektive für Wachstumsimpulse bei und sind unter anderem für die Formulierung entwicklungspolitischer Ziele und Maßnahmen relevant.
Die Fragen stellte die Internetredaktion des BiB.