Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Geschlechterideologien und Parteipräferenz • 13.06.2023Teilzeiterwerbstätige Mütter in allen politischen Milieus akzeptiert

Inwieweit sich Einstellungen zu Geschlechterrollen und die Nähe zu politischen Parteien aufeinander beziehen, untersucht eine Studie. Im Fokus stehen dabei egalitäre, traditionelle und ambivalente Geschlechtereinstellungen und ihre Verknüpfung mit politischen Milieus.

Junge Mutter mit Baby arbeitet zu Hause am Laptop und telefoniert Quelle: © Ingo Bartussek / Adobe Stock

Das Thema der Vielfalt von Familien- und Geschlechterarrangements ist sowohl in der Politik als auch im privaten Bereich angekommen. Doch wirken sich diese Entwicklungen auch auf die Identifikation mit bestimmten Parteien beziehungsweise das Wahlverhalten aus? Gibt es eine Nähe bestimmter Parteilager für geschlechterideologische Themen? Diesen Fragen geht der Beitrag „A step to the left? Gender ideologies and political party identification in Germany“ von Sabine Diabaté (BiB) zusammen mit Daniela Grunow und Mirko Braack (beide Universität Frankfurt und Forschungszentrum Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ)) nach. Grundlage bilden die Daten der Familienleitbildstudie 2012. Die Studie ist in der Zeitschrift European Sociological Review erschienen.

Vier unterschiedliche Geschlechterideologien erkannt

Aus den Analysen ergeben sich zunächst vier Einstellungstypen hinsichtlich der Elternschaft unter den befragten jungen Deutschen zwischen 20 und 39 Jahren: Die größte Gruppe, die „Zweitverdiener“ sowie die „Egalitären“, also die an Gleichstellung Interessierten, befürworten die Erwerbstätigkeit von Müttern und die Betreuung von unter Dreijährigen in Kitas und Kindergärten. Der dritte Typus „intensive Elternschaft“ lehnt mit hoher Wahrscheinlichkeit Kinderbetreuungseinrichtungen oder Kindertagesstätten für Kinder unter drei Jahren ab und betont die Zuständigkeit beider Eltern für die Kinderbetreuung. Zugleich unterstützt dieser Typus aber die Erwerbstätigkeit von Müttern. Dann gibt es noch als vierten und am wenigsten verbreiteten Einstellungstypus die „gemäßigt Traditionellen“. Anhänger dieses Typus haben die höchste bedingte Wahrscheinlichkeit, die traditionell geschlechtsspezifisch getrennten Bereiche von männlichem Broterwerb und weiblicher Hausarbeit zu unterstützen. Mütter werden als für die Kinderbetreuung verantwortlich und nicht als Erwerbstätige angesehen. Zudem lehnt dieser Typus die öffentliche Kinderbetreuung ab.

Identifikation mit den Parteien

Die Verknüpfung dieser Typen mit politischen Positionen zeigt, dass sich die Mitglieder des egalitären Typus mit Mitte-Links-Parteien identifizieren, während die Mitglieder der ambivalenten Zweitverdiener und Intensiven Elternschaft-Typen sowie der gemäßigt traditionellen Klasse sich stärker den Mitte-Rechts-Parteien zuneigen. Insgesamt zeigt sich, dass mit 60 Prozent die Mehrheit der jungen Erwachsenen ambivalente geschlechterideologische Positionen vertritt.

„Das heißt, sie haben teils egalitäre und teils eher traditionelle Einstellungen bezogen auf die Geschlechterarrangements in Familien. Eindeutig egalitäre Positionen sind mit 34 Prozent weniger verbreitet, während gemäßigt traditionelle Positionen mit nur 6 Prozent sehr selten sind. Die Geschlechterkultur wandelt sich also, herkömmliche Leitbilder werden mit neuen kombiniert“, analysiert Mitautorin Daniela Grunow von der Uni Frankfurt.

Wandel der Einstellungen selbst in rechten und konservativen Parteien

Somit ist in Deutschland der traditionell ausgerichtete Einstellungstypus kaum noch vorhanden. Dies zeigt sich beispielsweise in der mittlerweile breit akzeptierten Teilzeiterwerbstätigkeit von Müttern im zweiten Jahr nach der Geburt, die selbst in rechten und konservativen Parteien anzutreffen ist.

„Die Befunde sprechen dafür, dass die Wählerinnen und Wähler dieser Parteien einen Schritt nach links gemacht haben. Die „neuen Mütter“, die Betreuungsaufgaben und Teilzeiterwerbstätigkeit kombinieren, sind in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen akzeptiert“, resümiert die Autorin Sabine Diabaté vom BiB abschließend.

Originalpublikation

Diabaté, Sabine; Grunow, Daniela; Braack, Mirko (2023): A step to the left? Gender ideologies and political party identification in Germany. In: European Sociological Review: 1-13.

Autorin am BiB

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