Berliner Demografiegespräch | 17.11.2023Geflüchtete aus der Ukraine – Leben in Deutschland
Wie gestaltet sich das Leben ukrainischer Geflüchteter in Deutschland? Wollen sie längerfristig in Deutschland bleiben? Antworten darauf gab das Berliner Demografiegespräch des Statistischen Bundesamtes (Destatis) und des BiB am 8. November 2023. Es diskutierten BiB-Wissenschaftlerin Dr. Ludovica Gambaro, Dr. Amrei Maddox vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie Jan Eberle von Destatis.
Der Krieg in der Ukraine hält unvermindert an und ein Ende ist nicht in Sicht. Über eine Million Menschen sind seit Kriegsausbruch im Februar 2022 nach Deutschland geflohen. Ihre Situation in Deutschland ist Gegenstand der ersten umfassenden, repräsentativen Wiederholungsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, des BiB, des Forschungszentrums des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sowie des Sozio-oekonomischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin. Ausgewählte Befunde der Studie „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland: Migrationsdynamiken und individuelle Konsequenzen“ wurden vorgestellt und diskutiert.
Wie gelingen soziale Teilhabe und der Einstieg in den Arbeitsmarkt?
Mit der Familienstruktur, dem Bildungsniveau sowie der sozialen Teilhabe der überwiegend weiblichen ukrainischen Geflüchteten beschäftigte sich Dr. Ludovica Gambaro (BiB). Sie wies besonders auf die Herausforderungen durch die hohe Zahl getrennter Familien und minderjähriger Kinder hin. „Eine von vier geflüchteten Frauen ist de facto alleinerziehend“, betonte sie. Damit ist für eine gelungene soziale Teilhabe und Erwerbstätigkeit der Mütter vor allem ein ausreichendes Angebot an Bildungs- und Betreuungsplätzen für Kinder von zentraler Bedeutung. „Die Nutzung von Kitas ist höher, wenn die befragten Eltern erwerbstätig sind, an einem Sprachkurs teilnehmen, in Ostdeutschland wohnen und einen Hochschulabschluss haben“, analysierte Dr. Gambaro.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Erwerbstätigkeit hängt zudem damit zusammen, ob gute Deutschkenntnisse vorhanden sind und ob ein Sprachkurs abgeschlossen wurde, unabhängig von Bleibeabsichten oder dem Vorhandensein eines Partners. Für die Arbeitsmarktintegration spielt vor allem die Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen eine wichtige Rolle.
Bleibeabsichten der Geflohenen und Sprachkenntnisse
Wie es um die Bleibeabsichten der Geflüchteten steht, untersuchte Dr. Amrei Maddox (BAMF). Wollen sie längerfristig in Deutschland bleiben oder schnell wieder zurück in die Heimat? Sie betonte, dass die Bleibeabsichten sehr heterogen verteilt und von großen Unsicherheiten geprägt sind. „Die Wahrscheinlichkeit, für immer in Deutschland zu bleiben, hängt vor allem mit der familiären Situation, der aktuellen und zu erwartenden Lebenssituation in Deutschland sowie der sozialen Integration zusammen“, sagte sie. So gibt es insbesondere bei Geflüchteten ohne dauerhafte Bleibeabsicht ein großes Interesse an einer Rückkehr in die Ukraine sowie an transnationalen Lebensformen.
Gleichzeitig ist die Zahl der Geflüchteten angestiegen, die an einem Deutschkurs oder anderen Integrationskursen teilgenommen haben. „Die Sprachkenntnisse haben sich deutlich verbessert, allerdings zeigen sich vielfach noch keine sehr guten Sprachkenntnisse“, so Dr. Maddox.
Aktuelle Abbildung des Migrationsgeschehens mit Modellrechnungen
Die schnelle und unbürokratische Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine in der EU erfordert Kenntnisse und detaillierte Informationen über den aktuellen Status der Menschen, betonte Jan Eberle (Destatis). Dabei liefert das Statistikamt neben Informationen zu aktuellen Zuwanderungszahlen aus der Ukraine auch detaillierte Ergebnisse zur demografischen Struktur und geografischen Verteilung in Deutschland. „Zukünftig werden Auswertungen aus dem Mikrozensus zur Integration der Geflüchteten das Bild weiter vervollständigen“, sagte Eberle.
Außerdem schätzt das Statistische Bundesamt mithilfe von Hochrechnungsmodellen die Zuwanderungszahlen, weil hier noch keine vollständigen Daten vorliegen. Damit kann das Migrationsgeschehen mit höherer Frequenz und Aktualität abgebildet werden.
Die Vortragsreihe „Berliner Demografiegespräche“ ist ein Format unserer Hauptstadtkommunikation. Die Reihe richtet sich an Interessierte aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung und informiert über Erkenntnisse aus amtlicher Statistik und Forschung.