Workshop | 27.11.2023Wie leben ukrainische Familien in Deutschland? Erste Forschungsbefunde
Eine Auswahl von Studien zur Lage ukrainischer Geflüchteter in Deutschland diskutierte ein Workshop des BiB und des BMFSFJ am 15. November 2023. Im Fokus standen dabei zwei Aspekte: zum einen die Bleibeabsicht der Geflüchteten sowie Themen zur Integration und zum Wohlbefinden. Am Ende diskutierte eine Expertinnen- und Expertenrunde die politischen Implikationen der wissenschaftlichen Befunde. Dabei war auch BiB-Direktorin Univ.-Prof. Dr. C. Katharina Spieß.
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Dass nach 19 Monaten Krieg mittlerweile von einem schnellen Kriegsende nicht ausgegangen werden kann, machte Sven Lehmann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), deutlich: „Der Aufenthalt ukrainischer Familien in Deutschland muss langfristig ausgerichtet werden.“ Sein Ministerium hat die Menschen von Anfang an aktiv und mit zahlreichen Maßnahmen etwa in Form von Initiativen die Geflüchteten unterstützt. Dabei wird es auch bleiben, betonte er.
Was wünschen sich die Geflüchteten?
Aus den vorgestellten Studien geht hervor, dass für die Geflüchteten an vorderster Stelle der Wunsch steht, in einem sicheren Land zu leben. Hinzu kommen gute Beschäftigungsaussichten und der Wunsch, mit Familien und Freunden zusammenzuleben. Die Familien- und Freundesbeziehungen sind zugleich auch das wichtigste Motiv für Rückkehrabsichten in die Ukraine. Verbunden damit ist die Motivation, sich am Wiederaufbau zu beteiligen und das frühere Leben wieder aufzunehmen.
In Deutschland bleiben – ja oder nein?
Mit den Motiven für Bleibeabsichten der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer beschäftigte sich der erste Veranstaltungsblock. Die Erhebungen zeigen, dass unter den Befragten die Wahl des Aufenthaltsortes vor allem durch die Verbundenheit mit der Ukraine, verfügbaren Wohnraum, soziale Kontakte oder schlichtweg durch Zufall bestimmt wird. Letztlich waren in manchen Fällen auch Anpassungsschwierigkeiten der Kinder in Kita und Schule verantwortlich für eine Rückkehr in die Ukraine, zumal die dauerhafte familiäre Trennung ebenfalls belastend wirkte.
Sorgen ukrainischer Mütter um Familie und Beruf
Welche Sorgen ukrainische Mütter erleben, war Thema in mehreren Beiträgen. So machen sie sich vor allem große Sorgen um zurückgelassene Kinder und Angehörige sowie ihre eigene berufliche Zukunft. Zudem ergaben Kitabefragungen Probleme bei den vorhandenen Kapazitäten. Als „große Herausforderung“ bezeichneten die befragten Leitungen aufnehmender Kitas sowohl den Spracherwerb der Kinder als auch sprachliche Hürden mit den Eltern. Damit sie Sprach- und Integrationskurse besuchen können, ist aber ein weiterer Ausbau der Kinderbetreuung wichtig. Um einen leichteren Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erreichen, ist es zudem nötig, ukrainische Berufsabschlüsse schneller anzuerkennen.
Familiäre Trennung große Belastung für das Wohlbefinden
Wie sich bestimmte Aspekte der Lage ukrainischer Geflüchteter entwickelt haben, stellte Dr. Andreas Ette vom BiB auf der Basis der Daten des Projekts „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“ dar, das gemeinsam mit dem IAB, BAMF und dem SOEP durchgeführt wurde.
Er wies darauf hin, dass eine verbesserte Wohnsituation sowie eine weitere Verbreitung von Deutschkenntnissen und eine höhere Zahl an Teilnehmenden in Integrationskursen eine bessere Voraussetzung für die soziale Teilhabe der Geflüchteten bieten. Die vorhandenen gesundheitlichen und psychischen Belastungen vor allem bei getrenntlebenden Familien benötigen weiterhin Begleitung und Hilfe.
Kapazitäten der Kitas müssen erhöht werden – doch wie?
In der Abschlussdiskussion mit den Teilnehmenden Maksym Yemelianov (Gesandter-Botschaftsrat der Botschaft der Ukraine in Deutschland), Dr. Ksenia Gatskova (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB), PD Dr. Christina Boll (Deutsches Jugendinstitut, DJI) sowie der Direktorin des BiB, Univ.-Prof. Dr. C. Katharina Spieß, wurde vor allem die schwierige Situation der Kitas betrachtet.
Um den hohen Bedarf an Kitaplätzen aufzufangen, sollte man aus Sicht von Prof. Spieß über pragmatische Lösungen nachdenken, und zeitweilig die Gruppen vergrößern unter Beteiligung von sogenannten Alltagshelfern oder anderen Personen, die unterstützen. Auch wenn die Qualität der Kitabetreuung ein zentrales Anliegen ist, sollte es heute auch darum gehen, geflüchteten Kindern in Kitas die Chance der Teilhabe an früher Bildung zu geben, betonte die BiB-Direktorin.