Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Mutterschutz, Elternzeit, Kinderbetreuung | 25.01.2024Wie nutzen Menschen mit Migrationshintergrund familienpolitische Maßnahmen?

Die BiB-Wissenschaftlerinnen Dr. Elisabeth K. Kraus und Dr. Nadja Milewski haben gemeinsam mit Dr. Eleonora Mussino von der Stockholm University Demography Unit (Schweden) ein Sonderheft zur Nutzung von familienpolitischen Leistungen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Zeitschrift „Genus - Journal of Population Sciences“ herausgegeben. Insgesamt zeigen sechs Studien erhebliche Benachteiligungen von Migrantengruppen hinsichtlich der Berechtigung zu familienpolitischen Maßnahmen sowie in der Nutzung und den Auswirkungen auf den weiteren Lebensverlauf im Vergleich zur jeweiligen Mehrheitsbevölkerung.

Kinder turnen in Turnhalle Quelle: © kristall/stock.adobe.com

Der geografische Fokus der Analysen umfasst Länder in verschiedenen Regionen Westeuropas. Neben ihren unterschiedlichen Wohlfahrtsstaatsmodellen im Allgemeinen und ihrer spezifischen Familienpolitik variieren diese Länder in Bezug auf ihre Einwanderungsgeschichten und aktuellen Migrantenpopulationen. Obwohl es immer mehr Forschung zu den Auswirkungen von familienpolitischen Maßnahmen für die Fertilität, die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Fürsorgearbeit sowie die frühkindliche Entwicklung gibt, wurde die besondere Situation von Migrantinnen und Migranten bisher kaum berücksichtigt.

Unterschiede zwischen ausgewählten europäischen Ländern

Der erste Artikel des Themenheftes analysiert Mutterschutz- und Elternzeitregelungen für Migranten in Belgien, Deutschland, Italien, Spanien, Schweden und dem Vereinigten Königreich. Ergebnisse zeigen Varianzen abhängig von Aufenthaltsdauer, Versicherungszahlungen und Beschäftigungsdauer. In Deutschland gibt es geringfügige Unterschiede zwischen Müttern der zweiten Migrantengeneration und Nichtmigrantinnen in Bezug auf den Übergang zum zweiten Kind, was auf verbesserte strukturelle Integration hindeutet.

Die Studie für Frankreich verdeutlicht eine geringere Nutzung von frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten bei neuen Migranten, bedingt durch deren niedrigere sozioökonomische Lage. In Italien nutzen Migrantinnen insgesamt weniger häufig Kinderbetreuung, aber diejenigen die Betreuung in Anspruch nehmen, greifen häufiger auf formelle Kinderbetreuungsangebote (etwa Kindertagesstätten) zurück im Vergleich zu in Italien geborenen Müttern, die eher informelle Angebote nutzen (zum Beispiel Großeltern).

Eine weitere Studie zu Italien widmet sich dem Bedarf an informeller Kinderbetreuung. Migrierte Familien greifen seltener darauf zurück, sind jedoch stärker auf andere Verwandte und Bekannte angewiesen als italienische Familien. Eine belgische Analyse zeigt, dass trotz Ausbaus des Kinderbetreuungsangebots signifikante Unterschiede in deren Nutzung zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bestehen bleiben.

Faktoren bei der Nutzung und den Folgen der familienpolitischen Instrumente

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass insgesamt solchen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zukommt, die die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Fürsorgearbeit verbessern und die die frühkindliche Bildung fördern. Es hat sich gezeigt, dass neben dem Alter bei der Ankunft und der Aufenthaltsdauer im Zielland auch Unterschiede zwischen den Migrantengenerationen eine Rolle bei der Nutzung und den Folgen der Instrumente spielen. Beispielsweise nehmen die Benachteiligungen über die Migrantengenerationen hinweg ab. Allerdings bleiben kulturelle Unterschiede zwischen Migrantengruppen auch in späteren Generationen bestehen. Diese Vielfalt mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen gilt es von Seiten der Familienpolitik zu beachten, um zu verhindern, dass soziale Ungleichheiten vertieft werden, so das Resümee der Forschenden.

Das thematische Sonderheft ist entstanden in der Working Group „Fertility and Family Dynamics in Migrant and Minority Groups“ der European Association for Population Studies (EAPS).
Mehr Informationen: https://eaps.nl/page/migrant-and-minority-fertility